Schritte zur Einbeziehung der Geschlechterperspektive in die Überwachungs- und Evaluierungsverfahren

Evaluierungsoptionen 1-3

Bei der Evaluierung sollte beurteilt werden, inwieweit sämtliche im Planungsdokument, Finanzplan oder in anderen Programmdokumenten festgelegten, spezifischen Gleichstellungsziele erreicht wurden. Dabei sollten die im Rahmen des Programms definierten Indikatoren für die Geschlechtergleichstellung verwendet werden.

Wurden keine spezifischen Indikatoren für die Geschlechtergleichstellung festgelegt, sind entsprechend den Bestimmungen in Artikel 39 des Vorschlags für eine Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen (Vorschlag für eine Dachverordnung) allgemeine Evaluierungskriterien wie Wirksamkeit, Effizienz, Relevanz, Kohärenz und EU-Mehrwert zu verwenden. Die nachfolgenden Fragen dienen als Orientierungshilfe.

Relevanz

  • Hat das Programm wirkungsvoll zur Schaffung günstiger Bedingungen für die Förderung der Geschlechtergleichstellung beigetragen?
  • Wurden im Rahmen des Programms die praktischen und strategischen Bedürfnisse von Frauen und Männern berücksichtigt?
  • Leistete es einen Beitrag zu den nationalen, subnationalen und EU-Verpflichtungen und Mandaten im Bereich der Geschlechtergleichstellung?
  • War der Umgang des Programms mit Themen der Geschlechtergleichstellung in der gesamten Umsetzungsphase konsistent und kohärent?
  • Wurden Anpassungen vorgenommen, um auf externe Faktoren (z. B. Wirtschaftskrisen, Regierungswechsel usw.), die Einfluss auf die Beziehungen zwischen den Geschlechtern hatten, zu reagieren?
  • Wurde das Programm von relevanten nach Geschlecht aufgeschlüsselten Daten untermauert?
  • Erfolgten Konsultationen der Zielgruppen und anderer relevanter institutioneller Interessenträger?

Effizienz

  • Wurden die Ressourcen im Rahmen des Programms effizient genutzt, um Ergebnisse im Bereich Geschlechtergleichstellung zu erreichen, von denen Frauen und Männer profitierten?
  • Wurde durch die Mechanismen für die Überwachung, Berichterstattung und Evaluierung des Programms die Einbeziehung der Kriterien für die Geschlechtergleichstellung und die Erbringung entsprechender Nachweise sichergestellt?
  • Wurden die Mechanismen für die Berichterstattung konsequent eingesetzt?
  • Kann ein Zusammenhang zwischen der Mittelzuweisung und den Ergebnissen hergestellt werden?
  • Sofern die Mittelzuweisungen zu positiven oder negativen Ergebnissen für Frauen oder Männer führten, wurden daraus Korrekturmaßnahmen oder Maßnahmen für die nächste Phase abgeleitet?

Wirksamkeit

  • Wurden im Rahmen des Programms die geplanten Ergebnisse erzielt?
  • Wurde die Gleichstellung der Geschlechter durch die erkennbaren Ergebnisse des Programms gefördert und wurden lokale/subnationale geschlechtsspezifische Unterschiede überwunden?
  • Gab es einen nachweisbaren Nutzen für die Zielgruppen? Bestehen nachweisbare Unterschiede bei den Ergebnissen für Frauen und Männer?
  • Wurden die Indikatoren und Daten zu den Personen für die Planung, Umsetzung und Überwachung des Programms nach Geschlecht aufgeschlüsselt?
  • Haben die Interessengruppen (Organisationen, Institutionen, indirekte Zielgruppen) von den Interventionen im Rahmen des Programms im Hinblick auf den Ausbau institutioneller Kapazitäten im Bereich Gender-Mainstreaming und die Entwicklung der geschlechtsspezifischen Kompetenz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitiert?

Kohärenz

  • Wie wurden die Finanzmittel der EU-Fonds kombiniert, um die geschlechtsspezifischen Unterschiede zu überwinden und die Gleichstellung zu fördern? Wie wurden beispielsweise die kombinierten Fonds eingesetzt, um die Bereitstellung von Infrastruktur, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, die Entwicklung der Qualifikationen vor Ort, die Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt, die Vielfalt bei der Führung von KMU und in anderen Branchen und Beschäftigungsbereichen zu fördern?
  • Wie wurden die gemeinsamen Ziele der Geschlechtergleichstellung innerhalb der EU-Fonds kommuniziert, und wie erfolgten die gemeinsame Überwachung und Berichterstattung im Hinblick auf diese Ziele?

EU-Mehrwert

  • In welcher Weise spiegeln sich die Ziele der EU zur Förderung der Geschlechtergleichstellung wider?
  • Hat das Programm im Vergleich zu den Fortschritten, die andernfalls von den Mitgliedstaaten erzielt worden wären, im Hinblick auf die Förderung der Geschlechtergleichstellung einen Mehrwert erzeugt? Hat es aufgrund unterschiedlicher Faktoren wie Koordinationszugewinnen, Rechtssicherheit, größerer Wirksamkeit oder Komplementarität zu Fortschritten geführt?

Evaluierungsoption 4: Evaluierung der Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts bei der Haushaltsplanung

Eine spezifische Evaluierung der Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts bei der Haushaltsplanung[1] kann auf dem nachfolgenden Rahmen der vier Aspekte der öffentlichen Finanzierung beruhen[2]. Die Evaluierung kann einen dieser Aspekte herausgreifen oder alle vier Bereiche betreffen. Es kann die gesamte Mittelausstattung des Programms, ein ausgewählter Bereich oder ein spezielles Vorhaben evaluiert werden.

1.  Bewertung des Programms nach einem oder mehreren der vier Aspekte der öffentlichen Finanzierung

  • Ausgaben: Was wird finanziert? Wer ist der Begünstigte? Auf welche geschlechtsspezifischen Unterschiede wird abgezielt? Wie erreichen die Ausgaben Frauen und Männer entsprechend ihren Bedürfnissen? (z. B. wer nimmt an welchem Arbeitsmarktprogramm teil?)
  • Einnahmen. Wer zahlt Steuern/Mehrwertsteuer und/oder Gebühren? Wer muss bestimmte Dienstleistungen selbst finanzieren?
  • Makroökonomische Effekte. Welche Folgen hatte das Programm für den Anteil von bezahlter und unbezahlter Arbeit bei Frauen und Männern? Welchen Einfluss hatte das Programm auf das lokale und subnationale Wirtschaftswachstum und die Nachhaltigkeit?
  • Entscheidungsprozesse. Wie waren Frauen und Männer bei den Entscheidungen zum Programm vertreten? Wie wurden beispielsweise die grundlegenden Informationen verbreitet und der Vielzahl von Interessenträgern zur Verfügung gestellt?

Die Prüfung dieser Fragen kann unter anderem Antworten auf übergeordnete Fragen liefern:

  • Haben die Ressourcen des Programmbudgets Frauen und Männer erreicht?
  • Hatten Frauen und Männer Zugang zu Dienstleistungen, die ihren Bedarf gedeckt haben?
  • War das Programm transformativ? Hat es beispielsweise die zugrunde liegenden Normen und Werte verändert, die zur Fortschreibung der geschlechtsspezifischen Ungleichheiten führen?

2. Analyse der Mittelzuweisungen innerhalb der Kernaktivität des Programms im Vergleich zu den Zahlen, Bedürfnissen und Präferenzen

Auswahl eines Budgets oder einer Aktivität für die Analyse, wobei die im Rahmen des Programms erhobenen nach Geschlecht aufgeschlüsselten Daten zugrunde gelegt und, sofern möglich, die nach anderen Merkmalen wie Alter, sozioökonomischer Status, ethnische Zugehörigkeit, Behinderung, Zeitbudget, Nutzung der öffentlichen Räume, Einrichtungen und Ressourcen, usw. hinzugezogen werden. Im Rahmen der Analyse können folgende Aspekte berücksichtigt werden:

  • Ermittlung der ausgeführten Gesamtmittelausstattung,
  • Feststellung, wer erreicht wurde, Ermittlung der Zielgruppen und der spezifischen Daten zu diesen Gruppen,
  • Verwendung der erhobenen Daten, vorhandenen Studien, Forschungsergebnisse und Untersuchungen, um festzustellen, ob die Ressourcen für die Bedürfnisse und Präferenzen der Zielgruppe eingesetzt wurden,
  • Berechnung der Mittelzuweisung aus einer Geschlechterperspektive, beispielsweise durch die separate Berechnung der Kosten je Gruppe von Frauen und je Gruppe von Männern sowie die Berechnung der durchschnittlichen Kosten je Frau oder Mann und
  • Ziehen von Vergleichen und Anstellen von Erwägungen, wie etwa „welche Folgen hätte es für die Gesamtmittelausstattung des Programms gehabt, wenn Frauen und Männer die gleiche Unterstützung erhalten hätten?“

3. Beurteilung des Bedarfs an alternativen oder ergänzenden Ressourcen und Aktivitäten

Zusätzlich zu den Ressourcen des Programms ist der Umfang zu beurteilen, in dem alternative oder ergänzende Ressourcen oder Aktivitäten erforderlich waren. Dazu können zählen:

  • Zeit, unbezahlte Arbeit oder freiwilliges Engagement,
  • private Mittel für Gebühren oder andere Kosten,
  • weitere öffentliche Finanzierung von Räumlichkeiten, Transport und anderen Aktivitäten,
  • alternative Produkte und Dienstleistungen des Privatsektors.

Dabei ist es wichtig, zu fragen:

  • Welche Investitionen in die Infrastruktur begleiteten die Maßnahmen des Programms?
  • Wer hat diese Ressourcen genutzt? (die Daten/ Analysen sind nach Frauen und Männern und anderen relevanten Merkmalen aufzuschlüsseln).

4. Geschlechterbezogene Bewertung

  • Analyse der Ergebnisse aus der Bestandsaufnahme in Stufe 2 und 3. Bestehen Unterschiede bei der Zuweisung (Verwendung) der Mittel für Frauen und Männer?
  • Welche Normen und Werte sind vorhanden? Sind diese Normen und Werte geschlechtsspezifisch?
  • Werden Frauen und Männer in dem Programm unterschiedlich behandelt? Wird den von Frauen dominierten Aktivitäten ein höherer oder niedrigerer Wert zugemessen als denen der Männer?

5. Weitere Aspekte der Evaluierung der Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts bei der Haushaltsplanung

Was ist eine Investition?  Es sind Erwägungen anzustellen, in welcher Weise Investitionen in die physische Infrastruktur geschlechtsspezifische Dimensionen aufweisen. Beispielsweise Investitionen in Dienstleistungen und Einrichtungen, zu denen Frauen und Männer Zugang haben, oder Investitionen zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, IT-Ausbau und digitale Inklusion, wie Kinderbetreuung, soziale Versorgung, Pflege älterer Personen, barrierefreier Verkehr, digitale Unterstützung der häuslichen Pflege usw. Ein Ausbau der physischen Infrastruktur von Betreuungsund Pflegeeinrichtungen wie Kleinkindertagesstätten und intergenerationelle Betreuungs und Pflegeeinrichtungen kann den lokalen Arbeitsmarkt und die Steuerbasis durch die Schaffung neuer nachhaltiger Arbeitsstellen erweitern und hohe Kapitalrenditen erzeugen. Investitionen in die lokalen Arbeitskräfte im Bereich der Betreuung und Pflege sowie in entsprechende Kompetenzen sind ein Beispiel für Investitionen, die auf die geschlechtsspezifische berufliche Segregation abzielen. Sie bedeuten eine Investition in Berufe, in denen Frauen überrepräsentiert (und unterbewertet) sind. Es ist zudem zu prüfen, ob die Bemühungen um einen Ausbau der IT und digitalen Infrastruktur die Unterrepräsentation von Frauen in besser bezahlten technischen Berufen verringern.

Sind die Projektmanagement und Steuerungsdokumente geschlechtsspezifisch? Dabei ist es wichtig, zu fragen:

  • Enthalten diese Dokumente Gleichstellungsziele und spezifische Richtlinien im Hinblick auf die Bestimmungen der EU-Fonds zur Geschlechtergleichstellung?
  • Sind nach Geschlecht aufgeschlüsselte Daten enthalten? Wird eine gleichstellungsorientierte Sprache verwendet?
  • Sind Frauen und Männer gleichermaßen in der Verwaltung des Programms und in Überwachungsausschüssen vertreten?

Ist das Programm transformativ? Es ist zu untersuchen, ob die Mittelzuweisung im Rahmen des Programms von den Zielen der Geschlechtergleichstellung geleitet war. Die Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts bei der Haushaltsplanung stellt aus der Perspektive der öffentlichen Finanzierung einen Ansatz zur Transformation der Analyse, Konzeption und Ergebnisse des Programms dar. Hierfür sind ganzheitlichere Überlegungen zu den geschlechtsspezifischen Dimensionen von Infrastruktur und der Entwicklung von Kompetenzen und Beschäftigung anzustellen und gleichzeitig Geschlechterstereotypen und restriktive Beziehungen zwischen den Geschlechtern abzubauen. Bei der Evaluierung eines Programms für den Arbeitsmarkt beispielsweise ist zu prüfen, ob im Programmaufbau Komponenten enthalten sind, die den Zugang zu bezahlter Arbeit für Frauen verbessern. Neben der Schulung der Kompetenzen von Frauen könnten wichtige Komponenten die Finanzierung von Kinderbetreuung, die Verbesserung des Zeitbudgets durch integrierten Transport und die Verfügbarkeit von Dienstleistungen sowie technische Innovationen zur Unterstützung der digitalen Kommunikation oder flexible Arbeitszeitregelungen umfassen.

 Österreich: Geschlechtergleichstellung bei den Evaluierungen der EU‑Fonds

Im Einklang mit der österreichischen Partnerschaftsvereinbarung förderten die Überwachungsausschüsse Evaluierungen, bei denen die Geschlechterperspektive einbezogen wurde. So umfasst beispielsweise die Evaluierung des operationellen Programms im Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) eine gesonderte Evaluierung der bereichsübergreifenden Grundsätze der EU, einschließlich der Maßnahmen im Bereich Gender-Mainstreaming in den einzelnen Prioritätsachsen des Programms. Durch die Einbindung in Lenkungsgruppen und Workshops waren die relevanten Interessengruppen aktiv an der Evaluierung beteiligt.

Zur Überwachung und Evaluierung des Europäischen Sozialfonds (ESF) wurden frühzeitig zwei separate Fokusgruppen eingerichteteine für Gender-Mainstreaming und eine für die Geschlechtergleichstellung. Diese überwachten die Fortschritte bei der Verringerung der ermittelten Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern durch die aus dem ESF finanzierten Maßnahmen. Externe Evaluierungen der Maßnahmen des ESF umfassen die Bewertung der bereichsübergreifenden Grundsätze der EU mit einem Schwerpunkt auf Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit von Frauen und Männern.

Der Überwachungsausschuss des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) zeichnet sich durch die ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern aus, zu denen auch Vertreterinnen und Vertreter der maßgeblichen Sozialpartner zählen. Für den Förderzeitraum 2014-2020 des ELER wurden drei Evaluierungen im Hinblick auf die Geschlechtergleichstellung entwickelt:

  • ein Gleichstellungsindex zur Beschäftigung und zu den Lebensbedingungen von Frauen und Männern auf subnationaler Ebene,
  • eine Evaluierung der Chancengleichheit unter LEADER und
  • eine Gesamtevaluierung der Geschlechtergleichstellung, bei der die Unterstützung der Geschlechtergleichstellung im Rahmen der ELER-Programme umfassend bewertet wird.