Beispiele für die Integration der Geschlechtergleichstellung als bereichsübergreifender Grundsatz in die politischen Ziele und spezifischen Zielsetzungen

Hypothetische Fallstudie: Beseitigung der ermittelten Ungleichheiten bei der Geschlechtergleichstellung in einem operationellen Programm

In Südeuropa wurde in einer fiktionalen Kontextanalyse das Potenzial zur Steigerung des Frauenanteils in kleinen und mittleren Unternehmen ermittelt. 

Bei der Konzeption der Partnerschaftsvereinbarung wählte die staatliche Verwaltungsbehörde das politische Ziel 1: „ein intelligenteres Europa durch die Förderung eines innovativen und intelligenten wirtschaftlichen Wandels“ als eine Priorität. Sie entschied sich für das spezifische Ziel „Steigerung des Wachstums und der Wettbewerbsfähigkeit von KMU“ mit dem Ergebnis „Unterstützung für KMU zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum für Frauen und Männer“. 

Im Rahmen dieses Ergebnisses erarbeitete die Verwaltungsbehörde weitere Informationen, die sich auf die Kontextanalyse und das Ziel der Verbesserung der Rolle von Frauen in KMU, als Unternehmerinnen und als Beschäftigte bezogen. Daher lag ein besonderes Augenmerk bei der Umsetzung des operationellen Programms auf der Verbesserung des Anteils von Frauen in KMU, insbesondere bei Unternehmensgründungen. Folglich wurden spezielle Mittel zu diesem Zweck bereitgestellt.

Da Frauen in diesem Land bei Unternehmensgründungen und als Eigentümerinnen von KMU unterrepräsentiert waren, wurden die auf KMU und Sozialunternehmen ausgerichteten Programme für unzulänglich befunden, da sie wichtige Themen für einen deutlichen Anstieg des Frauenanteils in KMU nicht ausreichend berücksichtigten.

 Es wurden Dienstleistungen benötigt, die sich speziell an Frauen richteten, wie der Zugang zu Krediten, Weiterbildungs- und Beratungsangebote zur Unternehmensführung, sowie Betreuungsdienste und innovative Informationstechnologie (IT) zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Frauen und Männer – wie IT-gestützte Interventionen zur Betreuung älterer Menschen und andere Formen der sozialen Versorgung. Es konnten Überschneidungen bei der Entwicklung von KMU mit den Maßnahmen des ESF und EFRE festgestellt werden, um die komplexe Aufgabe zu bewältigen, bezahlte Arbeit und unbezahlte Betreuungsaufgaben zu kombinieren, und gleichzeitig den Anteil von Frauen bei Weiterbildungsangeboten und dem Zugang zu bezahlter Arbeit zu verbessern. So wurden beispielsweise Weiterbildungsangebote in den ermittelten Sektoren und Berufen, in denen vorrangig Frauen beschäftigt sind, angeboten sowie Interventionen, um gleichzeitig die Unterrepräsentation von Männern in der bezahlten und unbezahlten Betreuungsarbeit abzubauen. Gleichzeitig wurden spezielle Unterstützungsmaßnahmen entwickelt, um Unternehmerinnen bei der Entwicklung von Geschäftsplänen, beim Zugang zu Krediten und der Gründung eigener Unternehmen zu unterstützen. Diese Initiativen wurden sowohl in Sektoren, die traditionell von Frauen dominiert werden, als auch in den traditionell von Männern dominierten Sektoren durchgeführt.

Es erfolgte eine regelmäßige nach Geschlecht aufgeschlüsselte Überwachung zur Überprüfung der bereitgestellten Unterstützung, des Bedarfs der Begünstigten, des Fortschritts der Unternehmensgründungen, des Zugangs zu Krediten, der Größe der Unternehmen und der Indikatoren im Hinblick auf den Erfolg und das Fortbestehen nach Geschlecht. Durch diese Überwachung konnten geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Umsetzung des Programms korrigiert werden. Beispielsweise zeigte sich, dass der durchschnittliche (garantierte) Kredit für Männer höher war als der für Frauen zur Verfügung stehende Kredit, während der Anteil der Insolvenzen nach einem Jahr bei den im Besitz von Männern befindlichen Unternehmen höher lag als bei den Unternehmensgründungen von Frauen. 

Ein verbessertes, stärker geschlechterdifferenziertes Auswahlverfahren trug zum Erreichen der Programmziele der Verbesserung des Anteils von Unternehmen, die sich im Besitz von Frauen befinden, bei. 

Zudem verstärkte die bessere Verfügbarkeit von Betreuungsdiensten nach speziellen Weiterbildungen die Beschäftigungsquote von Frauen. Diesermöglichte es Frauen, eine Ganztagsbeschäftigung auszuüben.

 Deutschland: In Niedersachsen werden die Lebenswirklichkeiten von Frauen und Männern berücksichtigt

Das Bundesland Niedersachsen entwickelte eine gemeinsame Überwachungsplattform zur Überwachung der Fortschritte bei den bereichsübergreifenden Grundsätzen der EU-Fonds, darunter die Geschlechtergleichstellung. 

Übergeordnetes Ziel dieser Initiative ist die Koordinierung und Steuerung der Programmaktivitäten der EU-Fonds zur Verringerung der vorhandenen Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern.

Zwischen den Fonds wie dem ELER und dem fondsübergreifenden operationellen Programm EFRE/ESF und der zentralen für die Koordinierung zuständigen Behörde wird ein regelmäßiger intensiver Austausch gefördert. Maßnahmen und die Verwaltung der Ausschreibungen zur Förderung der Geschlechtergleichstellung werden aktiv unterstützt.

Im Rahmen dieser Initiative wurde von den Verwaltungsbehörden des operationellen Programms der EFRE/ESF und des ELER sowie von den Mitgliedern der entsprechenden Steuerungsgruppen ein Pilotprojekt in Niedersachsen durchgeführt. In dem Pilotprojekt wurde der Austausch zu den Fortschritten bei den bereichsübergreifenden Grundsätzen, insbesondere der Geschlechtergleichstellung koordiniert. Dazu zählten Maßnahmen für die gleichstellungsorientierte Kommunikation, und es wurde dafür Sorge getragen, dass die Lebenswirklichkeiten von Frauen und Männern erfasst und dem Überwachungsausschuss berichtet wurden. Die zentralen Koordinierungsmaßnahmen zwischen ELER und dem fondsübergreifenden operationellen Programm EFRE/ESF umfassten laufende Gespräche zu den Ergebnissen der Evaluierung in Bezug auf die Chancengleichheit von Frauen und Männern. 

Ein wichtiges Ergebnis dieser Koordinierungsmaßnahmen war die Aufmerksamkeit für die Folgen, die die Auszahlung von Fördermitteln auf die Förderung der Geschlechtergleichstellung haben kann, sowie für die Vermeidung der Bewilligung von Finanzmitteln, die möglicherweise zu strukturellen Nachteilen von Frauen führen können oder diese aufrechterhalten. 

Die Koordinierungsmaßnahmen flossen auch in die Programmierung der Fonds für den Zeitraum nach 2020 ein.

Innerhalb des fondsübergreifenden operationellen Programms EFRE/ESF ist Gender-Mainstreaming in allen Phasen des Programms – von der Programmierung bis zur Steuerung, Umsetzung und Überwachung fest verankert. Es werden Leitlinien zur Förderung des Gender-Mainstreamings sowie zu den Grundsätzen der Chancengleichheit veröffentlicht. Dadurch wurde die Geschlechtergleichstellung bei der Umsetzung der Vorhaben weiter gefördert. Die Finanzmittel zielen speziell auf Frauen und Männer, wobei etwa die Hälfte aller Mittel auf Frauen ausgerichtet ist. Bei der Datenerhebung und Überwachung werden durchgängig gleichstellungsorientierte Indikatoren eingesetzt. Somit existiert eine breite Palette an Maßnahmen zur Förderung der Geschlechtergleichstellung in den einzelnen Prioritätsachsen des operationellen Programms mit besonderen Schwerpunkten bei den relevanten Prioritätsachsen (in erster Linie die Prioritätsachsen 6 und 8). Hierdurch wird auch sichergestellt, dass die bereichsübergreifenden Grundsätze in den Programmevaluierungen verankert sind.